Kann dem Arbeitnehmer, der ohne Genehmigung seinen Urlaub antritt während eines laufenden Kündigungsschutzverfahrens eine fristlose Kündigung ausgesprochen werden?
Der Kläger und Arbeitnehmer war seit ca. 10 Monaten bei der Beklagten als Prozessmanager beschäftigt. Ihm wurde die ordentliche betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen. Hiergegen legte er vor dem Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage ein. Beantragt war die Feststellung, dass die Kündigung unwirksam ist und ungekündigt fortbesteht. Der Arbeitgeber ging daraufhin ein sog. Prozessarbeitsverhältnis ein. Für die Zeit des Kündigungsschutzprozesses also ein befristetes Arbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmer setzte also seine Arbeit im Rahmen dieses befristeten Arbeitsverhältnisses fort.
Der Kläger beantragt Urlaub
Im März 2019 beantragte der Arbeitnehmer Urlaub für einen Monat. Er bat den Arbeitgeber hierfür ausdrücklich um eine schriftliche Genehmigung. Für den Fall der Ablehnung des Urlaubs bat er zudem um die Angabe der Gründe.
Urlaubsantritt ohne Genehmigung
Der Arbeitnehmer wartete nicht ab, ob seinem Urlaubsantrag durch den Arbeitgeber stattgegeben wurde, sondern trat seinen Wunschurlaub einfach eigenmächtig an.
Fristlose Kündigung
Die Arbeitgeberin nimmt den ungenehmigten Urlaubsantritt zum Anlass, das Arbeitsverhältnis erneut, dieses Mal jedoch fristlos zu kündigen.
Arbeitsgericht gibt Klage statt
Auch gegen diese fristlose Kündigung legte der Kläger Kündigungsschutzklage ein. Zunächst mit Erfolg. Das zuständige Arbeitsgericht Heilbronn die fristlose Kündigung in erster Instanz für unwirksam. Der Arbeitgeber legte hiergegen Berufung gegen diese beim Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg ein.
LAG entscheidet für Arbeitgeber
Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg sah dies anders: Der eigenmächtige Urlaubsantritt rechtfertige den Ausspruch einer fristlosen Kündigung, weil dies eine erhebliche Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten darstelle. Nichts anders gelte, wenn die Selbstbeurlaubung während eines Kündigungsschutzverfahrens im Rahmen eines Prozessarbeitsverhältnisses vorgenommen werde.
Keine Abmahnung notwendig
Einer Abmahnung habe es entgegen der Ansicht des Arbeitnehmers nicht bedurft. Dieser könne nicht erwarten, dass der Arbeitgeber einfach einen eigenmächtigen Urlaubsantritt billige. Im Rahmen der Interessenabwägung wirke es sich auch nicht zugunsten des Arbeitnehmers aus, dass der Urlaubsantrag kurz vor Ablauf des Übertragungszeitraums gestellt wurde. Durch die Rechtsprechung des EuGH sei vielmehr klar, dass die Befristung des Urlaubsanspruchs auf das Ende des Kalenderjahres bzw. den Übertragungszeitraum die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten durch den Arbeitgeber voraussetzt.
Revision zugelassen
Die Sache ist noch nicht rechtkräftig. Für den Kläger hat das LAG Baden Württemberg die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) zugelassen. Der Frage, ob bzw. inwieweit eine Selbstbeurlaubung im Rahmen einer Prozessbeschäftigung eine Kündigung rechtfertigt, kommt grundsätzliche Bedeutung zu.
Das Urlaubsrecht bestimmt in § 7 Abs.1 BUrlG, dass der Mitarbeiter zunächst Urlaub beantragen muss und der Arbeitgeber diesen zu gewähren hat. Insofern ist es nicht zu beanstanden, wenn ein wichtiger Kündigungsgrund für eine fristlose Kündigung bei Selbstantritt bejaht wird, da dies eine Arbeitsverweigerung darstellt. Diese Arbeitsverweigerung ist als derart gravierend zu werten, dass eine Abmahnung nicht erfolgen muss, wobei dies immer vom Einzelfall geprüft werden sollte. Dies muss auch dann gelten, wenn der eigenmächtige Urlaubsantritt im Rahmen eines Prozessarbeitsverhältnisses und nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist einer unwirksamen Kündigung erfolgt ist.
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Urteil des LAG Baden Württemberg vom 01. Oktober 2020 (17 Sa 1/20)
Revision anhängig vor dem BAG (Aktenzeichen 2 AZR 457/20)